Diese Woche wird der Tag der deutschen Einheit als Nationalfeiertag Deutschlands gefeiert – Grund genug für uns, sich mit dem Begriff der Nation kritisch auseinanderzusetzen. Schließlich nennen wir Jusos uns selbst „internationalistisch“ und wollen diese Einstellung auch in die SPD und Gesellschaft hinein tragen.

Wir blicken zurück auf über 200 Jahre deutsche Nation. Seit dem frühen 19. Jahrhundert gibt es Bestrebungen, eine deutsche Einheit herbeizuführen. Früher sollten zahlreiche Fürstentümer und Königreiche unter einem Kaiser vereinigt werden, notfalls mit Gewalt. Ziel war es dabei freilich nicht nur, einen einheitlichen und teilweise demokratischen deutschen Staat zu errichten, spätestens 1848 war klar: es sollte ein Reich entstehen. Ein Deutsches Reich, das militärische Macht aufbaut, das Kolonien besitzt und das keine Republik sondern ein Kaiserreich sein sollte. Seit 1848 ist viel Zeit vergangen – doch der Nationalismus, der mit der deutschen Einheit 1871 einher ging, hat seine Spuren hinterlassen. Der Gedanke, Deutsch ist wer von Deutschen abstamme, gipfelte in unvergleichbaren Verbrechen an der Menschlichkeit des nationalsozialistischen Deutschen Reiches ab 1933. Wer heute mit der Deutschlandfahne auf die Straßen zieht, wird nicht mit den Burschenschaftlern gleichgesetzt, die sie einst kreiert hatten, auch nicht mit den Kriegstreiber*innen des Kaiserreichs oder gar mit den Nazis. Wir ziehen jedoch aus der Geschichte Deutschlands eine ganz klare Lehre: wir brauchen keine deutsche Nation, wir brauchen keine Heimatverehrung, wir brauchen nur Menschlichkeit!

Heute leben wir in einer Welt der Globalisierung, in einer multikulturellen Gesellschaft die, wie immer schon, von Menschen verschiedener Herkünfte, Religionen und Bräuche geprägt ist. Wir leben in einer europäischen Gemeinschaft seit über 70 Jahren in Frieden. Aus Wettbewerb zwischen den Nationen wurde häufig Freundschaft, die das deutsch-französische Verhältnis vorbildlich aufzeigt. Warum sollten wir Zeit damit verschwenden, uns mit der Frage zu beschäftigen, wer oder was „deutsch“ ist? Für uns ist das eine Frage der letzten Jahrhunderte, die schon damals obsolet ist. Denn wir setzen uns für Menschen unabhängig ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihrer Staatsbürgerschaft oder Religion ein. Wer jedoch „deutsch“ definieren möchte, grenzt sich dabei, wie es bei Definitionen üblich ist, immer auch ab. Wir möchten uns jedoch nicht künstlich von anderen Menschen abgrenzen, denn Abgrenzung durch willkürlich gezogene Staatsgrenzen brauchten wir Jusos noch nie. Wir möchten uns nicht damit befassen, wo die Trennlinie zwischen „Deutsch“ und „Nicht-Deutsch“ ist. Auch nicht, wenn wir damit die heutigen Nationalist*innen etwas entgegensetzen könnten.

In Bayreuth findet am 03. Oktober eine Demonstration unter dem Motto „Wir sind Deutschland. Wir sind mehr!“ statt. Zahlreiche Parteien und Organisationen haben sich dem Aufruf angeschlossen – darunter auch eine Juso-Untergliederung aus unseren eigenen Reihen. Begriffe wie „Deutschland“ und „Heimat“ sollen „wieder positiv“ besetzt werden, das Singen der Nationalhymne steht ebenfalls auf dem Programm. Der Bezirksvorstand der Jusos Oberfranken hat sich mit einer klaren Mehrheit entschlossen, diese Demonstration nicht zu unterstützen und ihr fern zu bleiben. Die Jusos wenden sich seit ihrer Gründung 1904 gegen Patriotismus und Nationalismus – das ist das Fundament unserer Jugendorganisation. Wir sind der Überzeugung, dass das Umdeuten der oben genannten Begriffe der falsche Weg ist, denn unsere internationalistische Bewegung kennt ihre eigenen Begriffe, Feiertage und Anlässe, Solidarität unabhängig von Deutschland und der eigenen Heimat zu zeigen.

Menschen sollten durch Menschlichkeit verbunden sein. Und nicht durch willkürlich gezogene Staatsgrenzen. Daher möchten wir keine Nationalfeiertage feiern, sondern Mobilisieren weiterhin für internationale Anlässe, wie beispielsweise den Tag der Arbeit am 1. Mai.
Redaktionelle Verantwortung: Bezirksvorstand
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